

Ich bin eine Roman-Leseratte durch und durch. In meiner Freizeit lese ich überwiegend Romane. Wieso ich trotzdem ausschließlich Sachbücher, Ratgeber und Expertenbücher lektoriere, erzähle ich dir hier. Storytime!
Keine Lust zu lesen? Die kurze Antwort.
Sachbücher sind mein Ding. Sie sind, was ich gelernt habe und worin ich meine ganze Erfahrung einbringen kann. Sie sind völlig anders zu lektorieren als Romane oder wissenschaftliche Abhandlungen (und auch dafür gibt es spezialisierte Lektoren).
Beim Sachbuch kommt es auf Verständlichkeit an, auf Struktur und Wissenstransfer. Auf eine passgenaue Zielgruppenansprache, ein Verständnis für das Ziel des Buches und für das Wissen, das vorausgesetzt werden kann. Es braucht einen Blick für das Kernthema und die Fähigkeit, zu erkennen, wann der Text abschweift.
Manche Skripte brauchen besonders viel Klarheit. Andere eine sehr empathische Ansprache der Leserinnen und Leser – wieder andere leben durch eine große Portion Motivation. Jedes ist einzigartig, braucht etwas anderes. Und das kitzle ich im Sachbuch Lektorat raus.
Ich bin überzeugt, dass ich in diesem Genre am besten bin – sicherlich dank meiner Ausbildung und Erfahrung, aber auch, weil ich Sachbücher einfach genial finde. Ich liebe es, immer wieder Neues zu lernen, arbeite gerne mit Menschen, die für ihr Thema brennen, und es erfüllt mich sehr, an Themen mitzuwirken, die Menschen weiterbringen.
In diesem Blogartikel nehme ich dich mit auf eine Reise – von der Schülerin Natalie über die Studentin bis hin zur Verlags- und schließlich zur freiberuflichen Lektorin. Hier geht es um meine Liebe zu Büchern, wie sie sich gewandelt hat und wie ich sie beruflich und privat lebe.
2 Umzugskartons voller Bücher
Als ich vor ein paar Jahren mein Jugendzimmer ausräumte – ich war zu diesem Zeitpunkt schon längst ausgezogen – fand ich überall Bücher. Ich schichtete sie alle fein säuberlich in einen dieser ganz großen Umzugskartons, aber schnell stellte ich fest, dass ich definitiv einen zweiten brauchen würde.
Ich war wirklich überrascht. Klar hatte ich als Jugendliche viel gelesen, aber so viel!? Die Titel und Cover sagten mir alle etwas. Ich erinnerte mich an die Geschichten zwischen den Buchdeckeln, hatte bis auf sehr wenige Ausnahmen alle Bücher gelesen, einige sogar mehrfach (ja, ich lese meine Lieblingsbücher auch heute noch immer wieder).
An diesem Tag wurde mir klar, wie viel ich in meiner Schulzeit gelesen hatte, und es haute mich regelrecht um.
Schach matt – vom Lesepensum erschlagen
Während meines Studiums brach mein Hobby Lesen ein. Meine Studienfächer (Skandinavistik & Germanistik) forderten ein dermaßen hohes Lesepensum, dass mir schlicht die Zeit fehlte, meine geliebten Romane auch nur anzugucken.
Pro Woche 2-3 dicke Bücher plus wissenschaftliche Abhandlungen – viele davon nicht unbedingt von dem Kaliber, das ich mir als gediegene Sofalektüre vorstellte (schon damals fand ich die Bandwurmsätze und grammatikalischen Ungetüme furchtbar – wieso schrieben Wissenschaftler nie verständlich?). Und noch dazu war vieles auf Schwedisch verfasst, was schön war – aber es förderte nicht zwingend mein Lesetempo.
Eine Zeitlang las ich gar nicht mehr in meiner Freizeit. Nur im Urlaub atmete ich ein paar Romane nur so weg und schwelgte wieder in diesem großartigen Gefühl, lesen zu können, so lange und so viel ich wollte. Einzutauchen in fremde Welten, in die Gedankenwelten dieser spannenden Figuren, die so anders waren als ich.
Eine Zusage, die mein Leben bis heute prägt
Während meines Studiums hatte ich immer wieder davon geträumt, Lektorin zu werden. Doch um mich herum wollten das die meisten meiner knapp 400 Mitsemester auch – und das war ja nur mein Jahrgang. Ich fragte mich: Wie zur Hölle sollen wir alle einen Volontariats Platz bekommen!?
Vielleicht hatte ich Glück, war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Oder es war Bestimmung. Jedenfalls war meine Bewerbungsphase sehr kurz. Ich sah eine freie Marketingstelle in einem Sachbuch Verlag in Darmstadt. Dort wohnte ich damals. Ich bewarb mich und dachte mir: Ich kann’s ja mal versuchen. Ist zwar nicht Lektorat, aber schon mal Verlag.
Zurück kam die Antwort: Die Stelle ist schon vergeben, aber hätten Sie auch Interesse, im Lektorat zu arbeiten? Wir suchen eine Volontärin. Ich schrieb sofort zurück: Ja, das würde ich noch viel lieber!
Wenn die Dinge so leicht gehen, müssen sie richtig sein, oder? Jedenfalls fühlt es sich für mich bis heute so an, als ob mich da jemand sanft auf „meinen Weg“ geschubst hat. Ich wurde damals zum Vorstellungsgespräch eingeladen, dann zum Probearbeiten und kurz darauf bekam ich die Zusage.
Lesen in der Freizeit – jetzt wieder ein Ding?
Ich gebe zu: Die ersten Wochen im Verlag forderten mir einiges ab. Es gab so viel zu lernen! Nie hätte ich gedacht, dass man beim Lektorieren eines Textes auf derartig viele Dinge gleichzeitig achten kann. Und obwohl mir alle sagten, dass ich sehr schnell lernte, brauchte es ziemlich, bis mein Kopf die vielschichtige Analyse von selbst vornahm und ich keine wichtigen Aspekte mehr vergaß.
Es war ein bisschen wie Autofahren Lernen, nur dass es gefühlt 10 Gänge, 5 Schaltpedale und 30 Blickwinkel gab, die ich alle irgendwie gleichzeitig händeln musste.
Lustig, wie leicht mir das heute fällt. Mein Kopf schaltet einfach auf „Autopilot“ und analysiert die ganzen Aspekte quasi von selbst. Wenn ich lektoriere, geht in meinem Kopf richtig der Punk ab. Das kostet ziemlich viel Konzentration und Energie – und damals noch viel mehr. Las ich also noch in meiner Freizeit? Nein, definitiv nein.
Aber nach und nach fing ich wieder an und kehrte abends zu meinen Romanen zurück.
Sachbuch – eine völlig neue Welt
Worauf ich neben der schieren Masse an zu beachtenden Aspekten auch nicht vorbereitet war: das Genre. Mich interessierten die Themen des Verlags – Persönlichkeitsentwicklung, Yoga, Bewegung, Gesundheit und durch meine spirituelle Mutti (Grüße gehen raus 😊 ) schreckten mich auch die etwas esoterischeren Themen nicht ab.
Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt nicht wirklich viele Sachbücher oder Ratgeber gelesen und war unvorbereitet – unvorbereitet darauf, dass die mich so packten.
Wie klasse war dieses Genre, bitte!? Vor allem für eine Lektorin. Denn ich durfte den ganzen Tag an Büchern arbeiten, die mich oft persönlich weiterbrachten – Dinge lernen über wertschätzende Kommunikation, die Kraft von Affirmationen, über Heilkräuter und vieles mehr. Ich sog alles auf wie ein Schwamm. Ich war immer schon wissensdurstig gewesen und Wissen zu lektorieren – so merkte ich schnell – war einfach klasse.
Sachbuch war nie nur Fließtext wie im Roman – mir standen (und stehen) alle möglichen Formate zur Verfügung: Aufzählungen, Beispiele, Tipps, Buttons, Hervorhebungen in allen Variationen, Übungen, Anleitungen, Kästen, Geschichten, Checklisten, Zusammenfassungen, Workbook-Fragen, manchmal sogar Platz zum Reinschreiben.
Ein Fest für eine analytische Denkerin
Und so geht’s mir heute noch. Ich denke ziemlich analytisch und in Strukturen, sagt man mir. Und das kommt mir beim Sachbuch zugute. Ich erfasse leicht das große Ganze, die Zusammenhänge über die Absätze hinaus. Mein Kopf ordnet alles thematisch ein, erkennt Themensprünge und Strukturen. Ich bin auch sehr kreativ im Umgang mit den vielen Formaten.
Und immer habe ich auch einen Blick für kleine Details, denn ich bin perfektionistisch veranlagt und damit nicht allein, wie ich in einigen Gesprächen mit Kolleginnen herausgefunden habe. Perfektionismus, bzw. die Liebe zum Detail, ist wohl eine Art Berufskrankheit – oder die Voraussetzung dafür, sich täglich so intensiv mit Texten befassen zu können, ohne einen Koller zu bekommen.

Oben: Blick in mein Buchregal heute: Eine bunte Mischung 🙂
Bücher, die Wissen transportieren, sind mein Ding!
Romane lektorieren? Hm, weniger. Ich habe zwei, drei Romane im Verlag lektoriert und es war eine nette Abwechslung, mal auf Charaktere und Handlungsstränge zu achten. Aber wenn ich mich entscheiden kann – und das kann ich als freiberufliche Lektorin – wähle ich immer das Sachbuch.
Das habe ich gelernt. Darin habe ich meine ganze Erfahrung. Das inspiriert mich. Da bin ich neugierig, besonders bei Themen, die mich auch persönlich interessieren. Und vor allem: Das macht mir am meisten Spaß!
„Lektorierst du also auch Romane?“
Meine Antwort auf diese Frage: ein klares Nein. Könnte ich es? Bestimmt, aber sicherlich nicht so gut wie meine Kolleginnen und Kollegen, die das täglich machen, die eventuell sogar auf ein bestimmtes Genre wie Fantasy spezialisiert sind und somit immer die bessere Wahl wären. Denn die Genres sind extrem verschieden und jedes ist eine Spezialisierung für sich. Und ich habe meine.
Was ich kann und liebe, sind Sachbücher und Ratgeber.
Bücher, in denen Wissen vermittelt wird.
Bücher, die empathisch und klar eine Zielgruppe ansprechen.
Bücher, die Menschen weiterbringen.
Hier gebe ich alles hinein – meinen ganzen Enthusiasmus für das Genre, meinen Wissensdurst und meine Erfahrung, die ich in mittlerweile mehr als 7 Jahren Sachbuch Lektorat sammeln konnte.
Und die Romane? Die schmökere ich mittlerweile wieder oft und gerne in meiner Freizeit. Sie sind mein Hobby, eingekuschelt in eine Decke auf dem Sofa, fernab einer Computertastatur. Denn mein Hirn darf auch mal abschalten. 😊